Scheidung mit Kindern: Ein Balanceakt zwischen Recht, Kultur und Familienleben
- expatrecht
- 24. Jan.
- 6 Min. Lesezeit
Stell dir vor, du heiratest die Liebe deines Lebens – jemand aus einem anderen Land. Gemeinsam baut ihr ein Leben auf: Kinder, ein Zuhause und Träume, die euch verbinden.
Aber was passiert, wenn der Traum zerbricht und ihr euch trennt? Was folgt, ist nicht nur der emotionale Schmerz einer Scheidung, sondern auch ein komplexer Balanceakt zwischen Rechtssystemen, Kulturen und familiären Erwartungen – besonders, wenn Kinder im Spiel sind.

In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf die Herausforderungen und geben praktische Tipps, wie Eltern diese Klippen sicher umschiffen können.
Das Wohl des Kindes: International ein gemeinsames Ziel bei Sorgerecht und Erziehung
In den meisten Ländern – egal ob Deutschland, Australien oder Neuseeland – steht das Wohl des Kindes im Mittelpunkt. Klingt simpel, aber was bedeutet das eigentlich?
In Deutschland wird die Bindung des Kindes zu beiden Elternteilen großgeschrieben. Institutionen wie das Jugendamt begleiten viele Sorgerechtsstreitigkeiten.
In Australien spricht man von den „Best Interests of the Child“, wobei nicht nur die elterliche Verantwortung, sondern auch die Lebensumstände des Kindes berücksichtigt werden.
Ein Beispiel: Lena und der deutsch-australische Sorgerechtsstreit
Lena, eine Deutsche, lebt in Melbourne und hat mit ihrem australischen Mann zwei Kinder. Nach der Trennung möchte sie zurück nach Deutschland ziehen, um näher bei ihrer Familie zu sein. Doch ihr Ex-Mann ist dagegen: „Sie nimmt mir meine Kinder weg!“
Die Lösung? Ein australisches Gericht entscheidet, dass Lena zwar umziehen darf, die Kinder jedoch regelmäßig nach Australien fliegen müssen, um ihren Vater zu sehen. Die Reisekosten werden geteilt – ein Kompromiss, der beiden Elternteilen entgegenkommt und den Kindern zwei „Zuhause“ ermöglicht.
Erziehung und Kultur: Ein Spannungsfeld
Erziehungsfragen können nach einer Scheidung zu Sprengstoff werden, besonders bei unterschiedlichen Kulturen. Soll das Kind auf eine deutsche Schule gehen oder eine neuseeländische? Wie werden Feiertage gefeiert? Und wer entscheidet, ob das Kind getauft wird?
Ein Beispiel: Annas und Toms Schulstreit in Neuseeland
Anna, eine Deutsche, und Tom, ein Neuseeländer, streiten darüber, wo ihr Sohn Max zur Schule gehen soll. Anna möchte ihn auf eine deutsche Auslandsschule schicken, Tom bevorzugt eine lokale Schule.
Die Lösung? Ein Mediator schlägt vor, dass Max die örtliche Schule besucht und zusätzlich ein deutschsprachiges Programm nachmittags belegt. So wird Max bilingual erzogen und profitiert von beiden Kulturen.
Vermögensaufteilung: Wenn das Geld international unterwegs ist
Das Vermögen aufzuteilen, ist schon innerhalb eines Landes eine Herausforderung. Aber was passiert, wenn Konten und Immobilien in verschiedenen Ländern liegen?

In Deutschland wird der Zugewinnausgleich angewandt: Das während der Ehe erwirtschaftete Vermögen wird geteilt. In Australien gilt das Prinzip der Fairness – hier schaut man auf das Gesamtvermögen, Schulden und den Beitrag beider Partner. In den USA hängt alles vom Wohnsitzstaat ab – manche teilen das Vermögen strikt 50/50, andere setzen auf eine „gerechte“ Verteilung.
Ein Beispiel: Markus und Sarahs transatlantisches Immobilienpuzzle
Markus, ein Deutscher, und seine amerikanische Frau Sarah besitzen ein Haus in Florida und eine Ferienwohnung in Bayern. Nach der Trennung möchte Markus die Wohnung behalten, während Sarah auf den Verkauf des Hauses besteht.
Die Lösung? Gerichte in beiden Ländern arbeiten zusammen: Markus behält die deutsche Ferienwohnung, Sarah das Haus in Florida – und ein Anwalt sorgt dafür, dass die Werte ausgeglichen sind.
Rechtliche Vorsorge: Vorbeugen statt Streiten
Man sagt: „Vorbeugen ist besser als Heilen.“ Das gilt auch für Ehen, besonders für internationale. Hier sind vier Tipps, wie du Streitigkeiten schon vorab minimieren kannst:
Ehevertrag: Klar geregelte Vermögensfragen und Sorgerechtsabsprachen können im Fall der Fälle vieles erleichtern.
Transparenz bei Finanzen: Gemeinsame Konten und ein Überblick über das Vermögen schaffen Vertrauen und Klarheit.
Internationale Planung: Bevor ihr ins Ausland zieht, solltet ihr die rechtlichen Konsequenzen für Kinder und Vermögen klären.
Sorgerechtsvereinbarungen: Besprecht, wie ihr eure Kinder erziehen möchtet – und haltet es schriftlich fest.
Der Weg durch die Scheidung in Australien
Eine Scheidung in Australien folgt klaren Regeln:
Antragstellung: Ein Scheidungsantrag wird online eingereicht (Gebühr: ca. 1.060 AUD).
Zustellung der Papiere: Der Antrag muss dem anderen Partner zugestellt werden, international gemäß Haager Zustellungsübereinkommen.
Gerichtliche Anhörung: Nur nötig, wenn Kinder betroffen sind oder Uneinigkeit besteht.
Vorläufiger Beschluss: Ein Monat nach der Anhörung wird die Scheidung vorläufig.
Endgültige Scheidung: Nach weiteren 30 Tagen ist die Ehe offiziell beendet.
Rechtswahl und Scheidung: Welches Recht gilt?
Die Bestimmung des anwendbaren Rechts bei der Scheidung internationaler Ehen hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie dem gewöhnlichen Aufenthaltsort der Ehepartner, ihrer Staatsangehörigkeit und der Wahl des Gerichts. In der EU regelt die sogenannte Rom-III-Verordnung, welches Recht bei Scheidungen anzuwenden ist – sie erlaubt es den Ehepartnern, eine Rechtswahl zu treffen, beispielsweise das Recht des Landes, in dem einer der beiden Ehepartner seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. In Ländern wie Australien gibt es keine spezifische Regelung zur Rechtswahl; dort wird das australische Recht angewandt, sofern die Verbindung zum Land besteht. Wichtig bei der Rechtswahl ist, die Konsequenzen der jeweiligen Rechtsordnung zu verstehen, da Unterschiede in der Vermögensaufteilung, im Sorgerecht oder bei Unterhaltsfragen erhebliche Auswirkungen haben können. Ehepartner sollten deshalb frühzeitig eine Rechtswahlvereinbarung treffen, idealerweise in Form eines Ehevertrags, und dabei rechtliche Beratung in Anspruch nehmen, um die Gültigkeit und Praktikabilität der Vereinbarung sicherzustellen.
Kein Rechtswahlvertrag – welches Recht gilt dann?
Wenn Ehepartner keine Rechtswahl getroffen haben, entscheidet das internationale Privatrecht des Gerichtsstandslandes darüber, welches Recht bei der Scheidung angewandt wird. In der EU greift in solchen Fällen die Rom-III-Verordnung. Diese legt eine Rangfolge fest: Vorrang hat das Recht des Landes, in dem die Ehepartner ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt hatten, sofern einer von ihnen dort noch lebt. Alternativ gilt das Recht des Landes, dessen Staatsangehörigkeit beide Ehepartner teilen. Besteht keine solche Verbindung, kommt das Recht des Landes zur Anwendung, in dem das Gericht angerufen wird (lex fori). Außerhalb der EU, beispielsweise in Australien oder den USA, wird in der Regel das nationale Recht des Gerichtsstandslandes angewandt. Diese fehlende Rechtswahl kann dazu führen, dass Ehepartner von der Anwendung eines Rechts überrascht werden, das nicht ihren Erwartungen entspricht. Daher ist es ratsam, sich bei grenzüberschreitenden Ehen frühzeitig mit den rechtlichen Konsequenzen auseinanderzusetzen und entsprechende Vorkehrungen zu treffen.
Checkliste: Was Paare bei einer internationalen Scheidung mit Kindern beachten sollten
Eine Scheidung kann kompliziert sein – besonders bei internationalen Ehen mit Kindern. Diese Checkliste soll dir helfen, den Überblick zu behalten und wichtige Punkte nicht zu vergessen.

1. Allgemeine Vorbereitung
Rechtsanwalt beauftragen: Suche dir einen Anwalt, der sowohl dein nationales als auch internationales Recht versteht.
Unterlagen sammeln:
Heiratsurkunde
Geburtsurkunden der Kinder
Aufenthaltsgenehmigungen und Visa
Steuererklärungen der letzten drei Jahre
Einkommensnachweise
Vermögensnachweise (Immobilien, Bankkonten, Rentenansprüche)
Ehevertrag (falls vorhanden)
Rechtslage klären: In welchem Land wird die Scheidung durchgeführt? Welche Gesetze gelten dort für Sorgerecht, Vermögen und Unterhalt?
2. Kinder und Sorgerecht
Sorgerechtsvereinbarung: Kläre, ob das Sorgerecht gemeinsam oder allein ausgeübt wird.
Aufenthaltsort der Kinder: Wo werden die Kinder nach der Scheidung leben?
Umgangsrecht: Wie wird der Kontakt zum anderen Elternteil organisiert? (z. B. Ferien, Wochenendbesuche, Videotelefonie)
Internationale Vereinbarungen:
Prüfe, ob das Haager Kindesentführungsübereinkommen gilt, um illegale Kindesentführungen zu verhindern.
Kläre, welche Unterstützung Konsulate oder Botschaften bieten können.
Schulbildung:
Entscheide, welche Schule die Kinder besuchen sollen.
Plane, wie sie Zugang zu beiden Kulturen und Sprachen behalten können.
3. Vermögen und Finanzen
Vermögensaufteilung:
Kläre, wie Vermögen in beiden Ländern aufgeteilt wird.
Prüfe, ob Rentenansprüche (z. B. deutsche Rentenversicherung, australische Superannuation) berücksichtigt werden.
Unterhaltszahlungen:
Berechne Unterhaltszahlungen für den Ehepartner (falls erforderlich).
Kläre, wie der Kindesunterhalt berechnet wird (je nach Land unterschiedlich).
Steuern:
Berücksichtige steuerliche Auswirkungen der Scheidung in beiden Ländern.
Informiere dich über Doppelbesteuerungsabkommen.
4. Dokumente und Formalitäten
Neue Testamente: Aktualisiere dein Testament, um sicherzustellen, dass deine Wünsche nach der Scheidung berücksichtigt werden.
Vorsorgevollmachten: Passe Vollmachten und Patientenverfügungen an, falls dein ehemaliger Partner darin genannt ist.
Namensänderungen: Falls du deinen Nachnamen ändern möchtest, beantrage dies rechtzeitig.
Reisedokumente: Stelle sicher, dass die Kinder gültige Pässe für beide Länder haben.
5. Emotionale und praktische Aspekte
Mediation: Ziehe Mediation in Betracht, um Streitigkeiten außergerichtlich zu lösen.
Kindeswohl: Berücksichtige immer die emotionalen Bedürfnisse der Kinder. Halte sie aus Konflikten heraus und vermeide es, sie als Druckmittel zu nutzen.
Unterstützungssystem: Baue ein Netzwerk aus Familie, Freunden oder professionellen Beratern auf, um dich emotional zu stärken.
Zeitmanagement: Plane ausreichend Zeit für rechtliche Verfahren, Umzüge oder Schulwechsel ein.
6. Langfristige Planung
Bildung und Kultur: Sorge dafür, dass die Kinder Zugang zu beiden Kulturen und Sprachen behalten.
Zukunftsperspektive: Überlege, wie du dein Leben nach der Scheidung organisieren möchtest, insbesondere bei internationalen Umzügen.
Rechte sichern: Wenn du in einem anderen Land lebst, kläre deine Rechte bezüglich Aufenthaltsgenehmigung und Staatsbürgerschaft.
7. Präventive Maßnahmen (vor der Ehe oder bei intakter Beziehung)
Ehevertrag: Kläre rechtzeitig, wie Vermögen und Unterhalt im Falle einer Trennung geregelt werden sollen.
Sorgerechtsvereinbarung: Legt fest, wie mit Sorgerecht und Umgangsrecht verfahren wird, falls es zur Trennung kommt.
Gemeinsame Finanzplanung: Erstellt eine transparente Übersicht über Vermögen, Schulden und Einkünfte.
Regelmäßige Kommunikation: Sprecht offen über Erwartungen in der Ehe und bei der Kindererziehung.
Mit dieser Checkliste bist du bestens vorbereitet, um die Herausforderungen einer internationalen Scheidung mit Kindern anzugehen – oder sie durch gute Vorsorge zu vermeiden. Soll ich einzelne Punkte noch weiter ausarbeiten?